Endlich darf ich es öffentlich zugeben: Wie sehr ging mir meine nickelbebrillte Deutschlehrerin in der ersten Klasse auf die Nerven! Draußen schien die Sonne und sie quälte mich mit ihren unsäglichen ABC-Übungen. Vergeblich mühte ich mich jede Stunde, einen anderen Buchstaben des Alphabets in Schönschrift in mein Heft zu malen. Angeblich brauchten wir dieses ABC um später einmal ganze Wörter, Texte oder Bücher (und sogar Blog-Artikel) lesen und selber schreiben zu können – so die Erklärung meiner Lehrerin, Typ: Fräulein Dr. Rotenmeier!   

Beim Laufen und Lesen: Das Zusammenfügen einzelner Teile für zum Erfolg

Zugegeben, zweiter Teil: In den ersten Semestern des Sportstudiums merkte ich, dass man auch komplexe Bewegungsabläufe am besten in einzelne Teilstücke unterteilt. Wie ein Text aus mehreren Wörtern, und diese aus mehreren Buchstaben bestehen, so entsteht auch eine effektive und ökonomische Laufbewegung durch das optimale Ineinandergreifen einzelner, möglichst perfekt ausgeführter und automatisierter Phasen. Einfacher gesagt: Während wir auf der einen Seite das Knie heben, strecken wir das andere Bein nach hinten aus. Gegengleich übertragen die Arme den Impuls zur Schrittausführung.

Lauf-ABC: Der Grundstein für bessere Leistungen und Zeiten

Genau diese und andere Phasen des Laufschritts lassen sich gezielt durch Übungen des Lauf-ABC optimieren. Und das mit einem verblüffendem Ergebnis: Diverse internationale Studien zeigen, dass sich durch ein gezielt eingesetztes und richtig dosiertes Lauf-ABC-Training die Wettkampfzeiten von Langstrecken- und Marathonläufern signifikant steigern lassen! Neben dem Training der Grundlagenausdauer ist das Lauf-ABC als eine spezielle Form des Koordinationstrainings ein elementarer Bestandteil jeder erfolgreichen Vorbereitung auf einen Marathon!

Mehr als ein Training für Geist und Körper

Im Prinzip ist das Lauf-ABC sogar eine Art Gehirnjogging: Einzelne Teile der komplexen Lauf-Bewegung werden separiert trainiert und so oft wiederholt, bis Gehirn und Körper über eine automatisierte Bewegungsfertigkeit verfügen. Mit dem Lauf-ABC trainierst du dein Gehirn damit es weiß, welche Muskeln der Körper beim Laufen zu welchem Zeitpunkt nutzen soll. Der optimale zu einem guten und ökonomischen Laufstil. Denn dieser hängt nicht nur von der Leistung deiner einzelnen Muskeln ab – sondern zu einem wesentlichen Teil auch von deren Zusammenarbeit!

Die besten Übungen aus dem Lauf-ABC

Kniehebelauf/ Skippings:

  • Hierbei bewegst du dich in aufrechter Haltung mehr oder weniger auf der Stelle. Dabei entsteht ein leichter, natürlicher Vortrieb.
  • Ziehe dein linkes Knie zunächst kraftvoll nach oben in Richtung Brust.
  • Dabei schwingt genau zeitgleich der linke Arm nach hinten.
  • In schneller Abfolge jeweils links, rechts, links, rechts …
  • Charakteristisch für perfekte Skippings ist neben der hohen Frequenz ein Kniehub von bis zu 70 Grad!

Kniehebelauf mit Riesenrad-Variante:

  • Ausführung wie oben.
  • Starte mit langsamen Kniehebeläufen.
  • Dabei jeweils mit dem am Boden stehenden Fuß einen Zwischenschritt ausführen.
  • Dabei das freie Spielbein vor dem Körper in einer großen kreisartigen Bewegung nach vorne setzen.

Anfersen:

  • Während des Laufens die Ferse bewusst zum Po führen.
  • Arme bleiben dabei fest am Körper.
  • Auch die Knie bewegen sich so gut wie gar nicht.

Mit diesen einfachen Regeln verbesserst du nachhaltig Stil und Leistung

Auch wenn sich diese und andere Übungen aus dem Lauf-ABC recht simpel anhören: Eine technisch wirklich saubere Ausführung ist bei den ersten ABC-Einheiten gar nicht so einfach. Aber sehr wichtig! Und weil hierbei die exakte Technik im Vordergrund steht, sollten die einzelnen Übungen NICHT nach einer intensiven Einheit absolviert werden. Sondern möglichst zu Beginn eines Trainings im bereits aufgewärmten Zustand.

Aus individuellen Schwächen eigene Stärken machen!

Den größten Erfolg erzielst du, wenn du ein dein Training ein bis drei Lauf-ABC-Serien pro Woche einbaust. Betrachte vorab genau deinen eigenen Laufstil und analysiere selbstkritisch (oder mit Hilfe eines Trainingspartners), welche Teilbewegung in deiner Laufausführung Defizite aufweist. Mit der entsprechenden Übung aus dem Lauf-ABC kannst du deine Schwäche aus der gesamten Bewegung selektieren, separiert durch die entsprechende Übung aus dem Lauf-ABC optimieren und später wieder als „neue Stärke“ automatisch in den vollständigen Bewegungsablauf „einfügen“.

Nutzen für Einsteiger und Profis

Und komme nicht mit der Ausrede, dass dein Laufstil perfekt sei. Denn Potential zu Verbesserungen gibt es auch bei den erfolgreichsten professionellen Läufern. Kein Wunder also, dass auch (und gerade!) gestandene Profis regelmäßig Einheiten aus dem Lauf-ABC in ihren Trainingsplan einbauen.

Mit einer individuellen Analyse Potentiale entdecken

Wenn du nach der Stil-Analyse – die sich mit einem Partner auch sehr gut beim Training auf dem Laufband durchführen lässt – noch Verbesserungs-Potential bei Fußabdruck oder Körperstreckung erkennst, wird dir der klassische Hopser-Lauf helfen können. Achte bei dieser Lauf-ABC-Übung besonders auf eine aufrechte Haltung und eine gestreckte Hüfte. Während die Augen geradeaus nach vorne schauen betonen die Arme sehr aktiv die Bewegung mit.

Das Lauf-ABC bildet natürliche Bewegungen ab

Ebenso aus unseren Kindertagen bekannt, aber sehr effektiv für die Verbesserung der Lauftechnik: Überkreuzungslauf! Dabei läufst du seitlich und lässt die Beine vor und hinter dem Körper überkreuzen. Wichtig ist dabei, dass das Überkreuzen der Beine ausschließlich aus der Hüfte erfolgt. Der Oberkörper befindet sich seitlich zur Laufrichtung, die Arme können in die Hüfte gestützt oder auch gestreckt werden. Trainiere dabei abwechselnd mit der rechten und der linken Schulter in Laufrichtung. Durch diese Übung aus dem Lauf-ABC wird u.a. die Bewegungsfähigkeit deiner Hüfte sehr gut trainiert.

Einfach mal bei den Bewegungen übertreiben und auf Schuhe verzichten

Ebenso gute Trainingselemente aus dem Lauf-ABC sind die bekannten Steigerungsläufe, das Rückwärtslaufen oder Sprunglaufen. Für jeden Läufer unverzichtbar ist die Fußgelenksarbeit des Lauf-ABC: Dabei werden mit nur wenig Vortrieb die Knie abwechselnd leicht nach oben geführt. Das Durchdrücken des Fußes wird dabei ebenso extrem aktiv betont wie das Aufsetzen des Fußes. Das beginnt mit dem Vorfuß, bevor auch die Ferse kurz den Boden berührt. Die Hüfte geht bei dieser Bewegung beweglich mit. Die Arme bleiben angewinkelt und unterstützen die Beinbewegung. Ideal ist diese Übung auch als eine Variation des  das Barfußlaufens, dessen Vorteile für Laufstil und Gesundheit auch die neueste Generation der Barfußlaufschuhe bietet.

Kleine Investition, großer Nutzen

Geringer Zeitaufwand, großer Nutzen und eine angenehme Abwechslung im Trainingsalltag – wer lediglich bei zwei oder drei Trainingseinheiten pro Woche einige Minuten in die verschiedenen Übungen des Lauf-ABC investiert, kann schnell und einfach Stil, Laufökonomie und somit auch Zeiten verbessern.

Was bedeutet das Lauf-ABC für euch?

Uns interessiert, wie eure Meinungen und Erfahrungen zum Thema Lauf-ABC aussehen. Haltet ihr diese Form des Trainings für Zeitverschwendung und geht stattdessen lieber „Kilometer fressen“? Oder sind spezielle Übungen aus dem Lauf-ABC fester Bestandteil eurer Trainings? Wenn ja, welche und mit welchem Ziel? Oder habt ihr sogar eigene Übungen entwickelt, durch die ihr eure Leistung verbessert? Wir sind gespannt auf eure Kommentare …