In einschlägigen Bodybuilder-Communities wird oft gewarnt, dass Ausdauersport – insbesondere das Marathontraining – zum Muskelabbau führt. Ist das wirklich wahr?

Wenn wir ein Bild des weltbesten Sprinters Usain Bolt mit einem Bild des Marathon-Weltrekordhalters Dennis Kimetto vergleichen, fällt auf, über wie viel mehr Muskelmasse Usain Bolt verfügt. Bolt ist ein Muskelpaket, Kimetto dagegen wirkt schmächtig. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Marathonläufer über keine trainierten Muskeln verfügt. Vielmehr trainiert er als Ausdauersportler andere Muskelfasern.

Rote und weiße Muskelfasern – Wo liegt der Unterschied

Man unterscheidet zwischen weißen und roten Muskelfasern.

  • Weiße Muskelfasern sind deutlich dicker als die roten Fasern. Sie können mehr Kraft entwickeln sowie schneller kontrahieren benötigen jedoch auch mehr Energie. Da diese Muskelfasern stark belastet werden, stellt sich schnell eine Ermüdung ein. Das ist auch der Grund warum Usain Bolt sein Tempo nur über wenige hundert Meter halten kann. Diese Muskelfasern trainierst du am besten, wenn du mit wenigen Wiederholungen bis zur Erschöpfung trainierst.
  • Rote Muskelfasern sind viel dünner als ihre weißen Kollegen. Die Kontraktionen sind langsamer und der Energieverbrauch ist kleiner, weshalb sie viel mehr Zeit benötigen, um zu ermüden. Ausdauersportler – wie Schwimmer, Läufer oder Fahrradfahrer – die über einen langen Zeitraum immer wieder die selben Bewegungen ausführen müssen, benötigen daher rote Muskelfasern, um ihre Leistung abrufen zu können.

Normalerweise besitzt ein Mensch einen ungefähr gleich großen Anteil beider Fasern, aber durch das entsprechende Training kann der Anteil verschoben werden.  Da es jedoch deutlich leichter ist, weiße Fasern in rote umzuwandeln, ist es leichter Ausdauer als Kraft aufzubauen. Es wird auch gemutmaßt, dass man rote Muskelfasern gar nicht „vermehren“ kann, doch dazu gibt es widersprüchliche Expertenmeinungen.

Wie verhindere ich den Abbau der weißen Muskelfasern beim Marathontraining?

Ein Marathonprofi braucht keine großen Muckis, die nur für kurze Belastungen geeignet sind und unnötig Gewicht wiegen. Ein Usain-Bolt-Körper würde über lange Strecken nur zu Nachteilen führen. Daher legen Marathonläufer den Trainings-Fokus auf die weißen Muskelfasern.

Bei Amateursportlern sieht das natürlich anders aus. Viele Leute die Krafttraining betreiben und über ausgeprägte Muskeln verfügen, zieht es zu Ausdauersportarten wie Triathlon oder Marathonlaufen. Sie benötigen daher sowohl ausgeprägte weiße als auch ausgeprägte rote Muskelfasern.

Werden aber nun durch das Ausdauertraining deren weißen Muskelfasern automatisch abgebaut? Nicht unbedingt. Wenn du schon über eine starke trainierte Muskulatur verfügst und weiterhin Muskeltraining durchführst, wird deine Muskelmasse nur dann abgebaut, wenn du deinem Körper nicht genügend Energie zuführst. Ein Muskelabbau beginnt erst, wenn der Körper die Energie nicht mehr aus der Nahrung schöpfen kann.

Im Klartext heißt das: Du musst deinem Körper deutlich mehr Energie zuführen, wenn zusätzlich zum Krafttraining auch noch ein intensiver Ausdauersport dazukommt.

Warum sollte ich Ausdauertraining mit Krafttraining kombinieren?

Ausdauertraining hilft dabei, die Regenertionszeit der Muskeln zu beschleunigen, da die Blutzirkulation verbessert wird. Außerdem erhöhst du deine Kondition, wodurch ein intensiveres Krafttraining möglich ist.

Aber auch wenn du bisher nur reinen Ausdauersport durchgeführt hast, solltest du regelmäßiges Krafttraining in deinen Trainingsalltag einbauen. So senkt eine trainierte Muskulatur dein Verletzungsrisiko beim Ausdauersport, insbesondere beim Laufen.

Ein weiterer Punkt ist, dass dich Krafttraining schneller macht. Das hat auch damit zu tun, dass eine trainierte Rumpf-, Hüft- und Gesässmuskulatur das Einhalten einer optimalen Laufhaltung erleichtert. WIr alle kennen vermutlich das Bild von Marathonläufern, die sich eingesackt und ohne Körperspannung über die letzten Kilometer quälen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Muskulatur dieser Läufer den Belastungen eines Marathons nicht gewachsen ist.

Für Läufer ist es wichtig, dass vor allem diejenigen Muskeln trainiert werden, die durch das Lauftraining kaum belastet werden: Das sind vor allem Brust, Schulter, Bauch, Arme und Rücken. Auch musst du bedenken, dass der Körper sich auf die Bewegungen des Laufens, Schwimmens oder Radfahrens sehr schnell einstellt. Das führt dazu, dass die Belastungen der beanspruchten Muskeln kaum ansteigen, weshalb keine Anreize zum Muskelwachstum gesetzt werden.

PS: Ein nützliches Buch mit vielen Kraftübungen, die du überall durchführen kannst, ist Fit ohne Geräte: Trainieren mit dem eigenen Körpergewicht von Mark Lauren.

Foto © Armando Mejía