Wer sich die Stimmung in der Bevölkerung ansieht, merkt sofort, dass sich Deutschland in den letzten Jahren verändert hat. So hat die subjektive Sicherhei seit 2015 stark abgenommen. Das sieht man zum Beispiel daran, dass sich der Absatz von Pfefferspray in einigen Bundesländern seither verdoppelt hat.1
Dass das Thema “Sicherheit beim Laufen” für viele Läufer und Jogger sehr wichtig ist, zeigt außerdem ein Beispiel aus unserer Community: Ein Beitrag zum Thema verzeichnete in unserer Facebookgruppe innerhalb von 48 Stunden mehr als 30 Beiträge. Auch wer einen Blick in alternative Medien wirft, sieht sofort, dass dort das Thema Sicherheit von Joggern stark thematisiert wird.2
In dieser Sicherheits-Diskussion scheinen Läufer in zwei Gruppen zu fallen:
- Angst ist ein schlechter Ratgeber und Deutschland ist noch immer eines der sichersten Länder weltweit. Ich mache mir beim Laufen keine Gedanken über Gefahren.
- Angst ist ein zuverlässiger Ratgeber und Deutschland ist deutlich unsicherer geworden. Ich bereite mich auf mögliche Gefahren vor, wenn ich Laufen gehen.
Welches dieser beiden Lager hat Recht?
Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Wir wollen hier eine unideologische Einschätzung der Gefahr für Läufer geben (was in einer so polarisierten Welt leider kein Kinderspiel ist) und Tipps geben, wie Gefahren vermieden werden können, und wie DU Gefahrensituationen abwehre kannst.
Inhalt
Ist Angst ein guter oder schlechter Ratgeber?
Wer das Buch “Schnelles Denken, langsames Denken” von Daniel Kahneman gelesen hat, weiß, dass die Intuition ein schlechter Wahrscheinlichkeitsrechner ist:3
Insbesondere wenn eine Gefährdung sehr gering ist, oder es darum geht, einen komplexen Sachverhalt zu beurteilen, sind Menschen schlecht darin, Situationen richtig einzuschätzen. Autofahren ist zum Beispiel viel gefährlicher als Fliegen. Dennoch fürchten sich deutlich mehr Menschen im Flugzeug als auf der Autobahn.
Wir schätzen die Risiken mit einem Flugzeug zu verunglücken, vergewaltigt oder ermordet zu werden, viel zu hoch ein, weil unser Kopf (genauer gesagt, unsere Amygdala) dazu neigt, Worst-Case-Szenarien stark zu übertreiben.
Ganz irrational ist diese Übertreibung von Worst-Case-Szenarien jedoch nicht. Evolutionär haben wohl eher diejenigen Menschen überlebt, die beim Rascheln des Savannengrases aufschreckten und sich gegen einen Löwenangriff wappneten, als diejenigen Menschen, die beim Rascheln des Grases indifferent blieben, und das Rascheln dem Wind zurechneten.
Ängste zu haben, ist sinnvoll, weil uns Emotionen helfen, Entscheidungen zu treffen. Wir können meistens keine rein rationalen Entscheidungen treffen, weil wir meistens nur unvollständige Informationen über unsere Umwelt besitzen. Der Fehler liegt jedoch darin, nur auf die Amygdala (Emotionen) oder nur auf den Verstand zu hören, der im präfrontalen Cortex sitzt. Um die bestmögliche Entscheidungen zu treffen, müssen sowohl Emotion als auch Verstand benutzt werden.
Wie sicher ist Deutschland?
Deutschland ist, weltweit gesehen, ein sicheres Land mit einer geringen Anzahl an Gewaltverbrechen:
Wenn wir die Mordrate weltweit vergleichen, landet Deutschland auf Platz 32. 4 Länder wie die Schweiz, Spanien, die Niederlande oder Polen schneiden in dieser Auflistung etwas besser ab. Somit liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld der Länder.
Seit den 90er Jahren ist die Mordrate in Deutschland rückfällig. Ob das an geänderten Messmethoden (Stichwort: Schwere Körperverletzung mit Todesfolgen) oder einer besseren Notfallmedizin liegt, 5 wird hier nicht thematisiert , da es den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde.
In den Medien wird oft kolportiert, dass die Verbrechensrate zurückgehe, in dieser Statistik werden jedoch die unterschiedlichsten Delikte vermischt. Für das subjektive Sicherheitsgefühl ist vor allem die Entwicklung der Gewaltverbrechen von Bedeutung:
- In den 90er Jahren stiegen diese rasant an, um ab dem Jahr 2007 zu stagnieren. Im Jahr 2016 kam es jedoch wieder zu einem massiven Anstieg.6
Wir sehen, dass die Tatsache, dass sich das subjektive Sicherheitsgefühl verschlechtert hat, weder irrational noch überraschend ist, wenn wir die Daten betrachten. Ohne Zweifel ist Deutschland dennoch sicher genug, um “sich nicht zu Hause verschanzen (zu müssen), weil ich eine Frau bin…“ wie eine Leserin anmerkte.
Wie können gefährliche Situationen vermieden werden?
- Am Morgen laufen
Laut einer Statistik aus den USA sind die Morgenstunden zwischen 4 und 6 Uhr die Zeiten des Tages mit den wenigsten Gewaltverbrechen.7 Nimmt man an, dass sich das Verhältnis in Deutschland ähnlich aussieht, bist du in den Morgenstunden am sichersten unterwegs.
- Mit Laufpartnern laufen
“Wer die Möglichkeit dazu hat, sollte zu zweit joggen gehen“, sagte Polizeisprecher Uwe Voigt, nachdem eine Joggerin in Leipzig vergewaltigt wurde. In allen größeren Städten gibt es Laufgruppen, die sich teilweise mehrmals in der Woche treffen. Auch Marathon-Vorbereitung bietet mehrere regionale Laufgruppen an. Ich empfehle eine kurze Recherche auf Facebook oder Google, um Läufer in deiner Region zu finden.
- Im Fitnesstudio laufen
Trainingstechnisch sind Laufbänder nicht ideal: Das Abdrückverhalten auf dem Laufband ist ein anderes, die Fuß- und Beinmuskulatur wird nur unzureichend trainiert. Wer nach den dunklen Wintermonaten vom Laufband auf die Straße, wird feststellen, wie viel anstrengender das Freiluftlaufen ist. Dennoch ist es besser auf einem Laufband im Fitnesstudio zu laufen als gar nicht laufen zu gehen.
- Gegenden mit viel Kriminalität meiden
Klingt logisch, ist aber nicht immer leicht umzusetzen. Außerdem passierten die meisten Verbrechen an Joggerinnen nicht an Brennpunkten, die für Ihre Gefährlichkeit bekannt waren.
Im Grunde sollte darauf geachtet werden, stark beleuchtete Wege mit vielen Leuten (idealerweise mit vielen Läufern) zu benutzen.
Wie kannst du dich gegen Übergriffe wehren?
- Selbstverteidigung
Sich in Notfallssituationen verteidigen zu können, ist eine wertvolle Fähigkeit. Leider reicht es nicht aus, einen Wochenend-Workshop zu besuchen, um für alle Zeiten die Fertigkeit zu besitzen, böse Jungs wie in einem Hollywood-Schinken umzuieten. Um dich effektiv verteidigen zu können, musst du deine Kentnisse regelmäßig schulen, aber für die meisten Menschen ist das neben Job und einem Laufhobby ein zu großer Mehraufwand. Wenn du dennoch Interesse hast, wende dich an eine Krav-Maga-Schule in deiner Umgebung.
- Pfefferspray
Ein Pfefferspray ist die beste Selbstverteidigungswaffe, die in Deutschland ohne Aufwand erworben werden kann. Sie müssen in Deutschland jedoch als Tierabwehrspray bezeichnet werden. Deshalb sind sich viele unsicher, ob sie die Sprays überhaupt als Selbstverteidigungswaffen einsetzen dürfen.
Abschnitt 6 – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 227 Notwehr (2) besagt folgendes: Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Pfeffersprays können somit in Selbstverteidigungs-Situation für eine angemesene Abwehr eingesetzt werden. Folgendes muss beachtet werden: Wer einen gefährlich aussehende Person präventiv einsprüht, macht sich strafbar. Auch ein sogenannter „Notwehrexzess“ muss vermieden werden: Das trifft zum Beispiel zu, wenn du eine schon am Boden liegende Person mit deinem Spray einsprühst. 8
Leider gehen viele Läufer auch bei Begegnungen mit Hunden großzügig mit ihren Pfeffersprays um. Aber auch bei Hunden gilt: Pfefferspray darf nicht präventiv angewendet werden, sondern nur dann, wenn der Hund wirklich angreift. Rechtskundige Hundebesitzer würden dich sonst wegen Tierquälerei belangen.
Pfeffersprays können unkompliziert in Onlineshops wie Amazon.de erworben werden. Ansonsten sind sie in Waffengeschäften erhältlich. Auch DM hat sie immer wieder im Sortiment. Läufer sollten darauf achten, keine zu große Dosen zu kaufen, da du diese nur umständlich mitnehmen kannt. Im Test konnten uns die 20-ml-Dosen von Werwolf überzeugen.
Wir empfehlen außerdem, dass du das Spray beim Laufen in der Hand hältst. Solltest du angegriffen werden, wirst du nicht die ötige Zeit haben, um dein Spray aus deiner Tasche zu kramen.
- Alarmarmband
Ein Alarmarmband (bzw.ein Taschenalarm) schreckt potenzielle Angreifer durch einen lauten Alarmton ab. In der Regel muss ein Stift gezogen werden, um den bis zu 140db lauten Alarm zu aktivieren. Auch angreifende Tiere werden vom lauten Alarmton abgeschreckt. Alarmarmbänder wehren Angriffe zwar nicht ab, können Angreifer jedoch absschrecken, weshalb sie für Joggerinnen sehr zu empfehlen sind. Auch dieses Gadget kann auf Amazon.de gekauft werden.
- Tracking App
Tracking-Apps wie Wayguard bieten einen Begleitservice an. Wenn du die App aktivierst, wird deine Position vom Wayguard-Team oder von deinen Freunden und Bekannten live getrackt. Dein Standort ist immer ersichtlich und nach Absolvierung deines Laufs musst du nur mit einem Klick angeben, dass du sicher angekommen bist.
- Mit Hund laufen
Hunde sind tolle Laufpartner und viele Rassen haben eine stark abschreckende Wirkung (Schoßhunde erfüllen diese Rolle natürlich nicht). Wer einen Hund besitzt, sollte nicht zögern, mit ihm laufen zu gehen. Mehr Infos dazu gibt es in unserem Artikel: https://marathon-vorbereitung.com/joggen-laufen-hund/
Wie sicher fühlst du dich beim Laufen? Welche Maßnahmen triffst du, um dein Hobby sicher auszuüben?
- www.freiepresse.de/Absatz-von-Pfefferspray-verdoppelt/
- https://juergenfritz.com/vergewaltigungen-morde-normal/
- www.srf.ch/starpsychologe-daniel-kahneman-ueber-die-tuecken-der-intuition/
- https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_intentional_homicide_rate/ (Die Statistik ist verzerrt, da teilweise Daten aus unterschiedlichen Jahren miteinander verglichen werden)
- https://derstandard.at/Warum-die-Kriminalitaet-nicht-zwingend-mit-der-Toetungsrate-sinkt/ (Interessant, dass diese Theamtik noch in keiner deutschen Zeitung oder Zeitschrift behandelt wurde)
- https://www.n-tv.de/politik/nahdran/So-kriminell-ist-Deutschland
- https://www.ojjdp.gov/
- https://www.welt.de/Wann-ist-Pfefferspray-erlaubt-und-wann-ist-es-verboten/